„Warum arbeiten historische Lernorte mit biografischen Fallbeispielen?“
Die biografische Spurensuche an historischen Lernorten ermöglicht es Lernenden, sich den für sie oftmals fremden und abstrakten Herrschaftsstrukturen von Diktaturen anhand biografischer Fallbeispiele zu nähern und Alteritätserfahrungen zu sammeln. Zudem regt sie zu einer Auseinandersetzung mit biografischen Erfahrungen, Perspektiven sowie Handlungsspielräumen an. Darüber hinaus können Funktionen des Einsatzes von biografischen Fallbeispielen an historischen Lernorten analysiert und reflektiert werden.
Lernziele
- Historische Fragen zur Analyse biografischer Fallbeispiele entwickeln
- Informationen zu biografischen Fallbeispielen recherchieren und kontextualisieren
- Funktionen von biografischen Fallbeispielen am historischen Lernort beurteilen
- Chancen und Grenzen des historischen Lernens anhand von biografischen
Fallbeispielen diskutieren
Didaktisch-methodische Überlegungen
In Ausstellungen an historischen Lernorten werden häufig biografische Fallbeispiele präsentiert, die einen konkreten Ortsbezug haben. Anhand von Quellen wie Fotografien, Briefen, Gegenständen oder behördlichen Dokumenten, aber auch kontextualisierenden Ausstellungstexten, erhalten Lernende die Möglichkeit, sich sowohl auf kognitiver als auch auf sinnlicher und affektiver Ebene mit ortsgebundenen biografischen Erfahrungen auseinanderzusetzen.
Darüber hinaus erhalten Lernende die Möglichkeit, biografische Erfahrungen in übergeordnete historische Ereignisse und Prozesse einzuordnen. Insbesondere an historischen Lernorten mit Bezug zu Diktaturgeschichten haben biografische Zugänge die Funktion, Erfahrungen und Erinnerungen von Repression ein Gesicht zu geben und mit Quellen zu belegen.
Die folgenden didaktischen Materialien unterstützen die Lernenden bei der Rekonstruktion und Analyse biografischer Fallbeispiele und schaffen somit die Grundlage für die Reflexion biografischer Zugänge an historischen Lernorten. Ein Forschungstagebuch strukturiert diesen Lernprozess entlang der Entwicklung von Fragestellungen über die Recherche vor Ort bis hin zur Präsentation und Reflexion der Ergebnisse.
Literaturhinweise
- Michele Barricelli: Thematische Strukturierungskonzepte. In: Hilke Günther-Arndt/Saskia Handro (Hrsg.): Geschichts-Methodik. Handbuch für die Sekundarstufe I und II. 8. Aufl., Berlin 2020, S. 44–60.
- Heidi Behrens/Norbert Reichling: Konkretion – Perspektivität – neue Fragen. Biographieorientierte Bildung in Gedenkstätten. In: Paul Ciupke u.a. (Hrsg.): Gedenkstättenarbeit und Erinnerungskultur. Ein deutsch-polnischer Austausch. 1. Aufl., Essen 2014, S. 261–270.
- Josef Memminger: Historisches Lernen an Biografien. Begegnungen mit Lebensgeschichten im Spannungsfeld von Empathie und kritischer Reflexion. In: Geschichte lernen 205 (2022), S. 2–9.
Verlaufsplan
Der gesamte Arbeitsprozess wird durch ein Forschungstagebuch strukturiert.
In der Vorbereitung erhalten die Lernenden vom historischen Lernort erste Informationen zu ausgewählten biografischen Fallbeispielen, mit denen sie sich später vor Ort auseinandersetzen werden. Im Fokus steht zunächst das Sammeln biografischer Rahmeninformationen sowie wesentlicher, für den Lernort relevanter historischer Ereignisse und/oder Entwicklungen, welche in einem Steckbrief und auf einem Zeitstrahl gesichert werden. Dies bildet die Grundlage für die Entwicklung historischer Fragen zu den einzelnen Fallbeispielen.
Während der Durchführung recherchieren die Lernenden Quellen und Darstellungen zum biografischen Fallbeispiel in der Ausstellung des historischen Lernortes und halten ihre Ergebnisse mithilfe
einer Tabelle fest.
Wesentliche, aus den Materialien gewonnene Informationen über ihr ausgewähltes biografisches Fallbeispiel können sie ferner zur Förderung ihres Zeit- und Wandelbewusstseins auf dem Zeitstrahl einordnen.
In der Nachbereitung werden Möglichkeiten und Grenzen der Recherche zum ausgewählten biografischen Fallbeispiel beurteilt. Die im Forschungstagebuch gesicherten Gesamtergebnisse können nun anhand der Erstellung eines Podcasts strukturiert dargestellt werden. Abschließend reflektieren die Lernenden ihren Rekonstruktionsprozess und setzen sich (kritisch) mit Funktionen sowie Möglichkeiten und Grenzen von biografischen Zugängen an historischen Lernorten auseinander.